Totale Sonnenfinsternis am 11.08.1999

Ein Infotext zur Beobachtung der SoFi

Eine totale Sonnenfinsternis ist ein faszinierendes Himmelsschauspiel. Wer je in seinem Leben an einem solchen kosmischen Naturereignis teilnehmen konnte, berichtet von überwältigenden Eindrücken: Mitten am Tag wird es plötzlich dunkel, die Luft kühlt merklich ab, Tiere legen sich schlafen, und die helleren Sterne und Planeten leuchten auf.
Bei einer totalen Sonnenfinsternis steht der Beobachter im Kernschatten des Mondes. Das bedeutet, daß der Mond die Sonnenscheibe für den Beobachter vollständig abdecken kann.
Ein kosmischer Zufall macht eine totale Sonnenfinsternis erst möglich:
Die Sonne ist 400 mal größer als der Mond, und sie ist auch 400 mal weiter von der Erde entfernt als der Mond. Daher erscheinen Sonne und Mond am Himmel gleich groß, und der Mond kann die Sonnenscheibe exakt abdecken.

Die Sonne, der Stern von dem wir leben
Sterne kennen wir vom Nachthimmel. Die Sonne ist uns im Vergleich zu den nächtlichen Fixsternen viel näher und erscheint uns deshalb als grell leuchtender Feuerball, der alles andere überstrahlt. Sowohl ihr Durchmesser (1,4 Millionen km) als auch ihre Masse (2 Milliarden Milliarden Milliarden Tonnen) übertreffen die der Planeten bei weitem.
Im Inneren der Sonne herrschen Temperaturen von 15 Millionen Grad Cels. Bei einem Druck von 2 Milliarden bar wird mittels Kernfusion Energie erzeugt.
Das Sonneninnere ist umhüllt von der sogenannten Photosphäre (Lichtschicht), der Chromosphäre (Farbschicht) und der Korona (Strahlenkranz).
Bei der Sonnenbeobachtung müssen Sie Ihre Augen sicher schützen
Bitte niemals die Sonne mit bloßem Auge ohne Schutz beobachten. Ein Blick auf die Sonne durch ein Fernrohr, Fernglas oder Opernglas ohne geeigneten Schutz - selbst bei 99,9%iger Bedeckung der Sonne - kann das Auge derart schädigen, daß es zu einer Erblindung kommen kann. Auch herkömmliche Sonnenbrillen sind in ihrer Filterwirkung zu schwach.
Während der partiellen Phase einer Sonnenfinsternis - wenn der Mond die Sonne nicht vollständig bedeckt - muß die Sonne mit einer Sonnenfinsternisbrille beobachtet werden. Diese Brille besteht aus Materialien, die nicht nur das grelle Sonnenlicht dämpfen, sondern auch die gefährliche Wärmestrahlung für das Auge zurückhalten. Eine Schweißerbrille kann ebenfalls benutzt werden.
Von improvisiertem Augenschutz, wie einer über einer Kerze gerußten Glasplatte oder doppelt übereinandergelegte belichtete Schwarzweißfilme ist abzuraten. Sie bieten keinen 100%igen Schutz gegen die Wärmestrahlung der Sonne.

Beobachtung mit optischen Geräten
Es sind ausschließlich Filter geeignet, die das Sonnenlicht blockieren, bevor es überhaupt in die Optik gelangen kann und einen energiereichen Lichtstrahl produziert. Keinesfalls dürfen Folienfilter okularseitig eingesetzt werden, d. h. zwischen Auge und Okular. Eine sofortige Zerstörung von Folie und Auge wäre die Konsequenz.
Nur während der eigentlichen totalen Phase (Sonne ist vollständig vom Mond bedeckt) kann nichts passieren und Sie können einen ungestörten Blick auf dieses Naturschauspiel werfen. Nur vergessen Sie nicht, den Filter wieder zu benutzen, wenn die totale Phase beendet ist! Das Ende der Totalität kommt für die meisten Beobachter überraschend und erfahrungsgemäß ist dann die Gefahr von Unfällen am höchsten.

Beobachtung von Sonnenfinsternissen
Die Kontaktzeiten: Eine Sonnenfinsternis wird in vier sogenannte Kontaktzeiten unterteilt. Der 1. Kontakt ist genau der Zeitpunkt, an dem die Mondscheibe zum erstenmal den Sonnenrand berührt. Das ist der Beginn der partiellen Phase. Dabei zeigt sich bei höherer Vergrößerung die unregelmäßige Gestalt des Mondes. Man kann Berge und Täler am Mondrand erkennen Wenn schließlich nur noch 50 Prozent der Sonnenscheibe zu sehen sind, merkt man langsam, wie das Sonnenlicht düsterer und fahler wird. Wenn der 2. Kontakt nur noch 15 Minuten entfernt ist, beginnt auch die Temperatur merklich zu fallen. Die Natur verhält sich wie bei einer schnell hereinbrechenden Nacht. Dann taucht im Nordwesten der Mondschatten auf. Er hat das Aussehen einer dunklen Gewitterwolke, die rasch größer wird. Dazu ist allerdings klares Wetter und ein erhöhter Standort notwendig.
Perlschnur-Effekt: Dieses Ereignis kann nur wenige Sekunden vor und nach
der Totalität beobachtet werden. Dabei tritt das Licht der obersten
Sonnenschichten durch die tiefen Täler am Mondrand, während seine hohen
Berge die Sonnenscheibe bereits verdecken. Dabei zerteilt sich der
Sonnenrand in kleine Bruchstücke, die wie eine Perlenkette aussehen.

Diamantring-Effekt: Zuletzt bleibt nur noch eine Stelle der Sonnensichel übrig, die durch ein Mondtal blitzt. Dieses Phänomen wird wegen des Aussehens auch als Diamantring-Effekt bezeichnet.
Die dramatischen Minuten werden durch den 2. Kontakt eingeläutet, wenn der Mond die Sonne vollständig bedeckt. In den letzten Sekunden vor der Totalität schwindet das spärliche Sonnenlicht nun dramatisch, und man wird von dem mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit heranrasenden Mond-schatten geschluckt. Das Verschwinden des letzten Sonnenlichtes geht etwa so schnell vonstatten, wie wenn man einen Vorhang vor ein Fenster zieht. Der Himmel wird so dunkel wie etwa 30 bis 40 Minuten nach Sonnenuntergang, so daß man Planeten und hellere Sterne sehen kann.
Man hat den Eindruck eines Rundum-Sonnenuntergangs mit einem hellen Streifen entlang des Horizonts und einem dunklen Himmel über dem Beobachter.
Während der Totalität sind vor allem zwei Phänomene zu sehen, die sonst für den normalen Beobachter unsichtbar bleiben: die Protuberanzen und die Sonnenkorona. Bei den Protuberanzen handelt es sich um Gasfontänen, die entlang der Magnetfeldlinien der Sonne von der Oberfläche ins Weltall geschleudert werden. Bei einer totalen Sonnenfinsternis werden sie schon mit bloßem Auge als rötliche oder fast lachsfarbene Flecken am Sonnenrand wahrgenommen.
Die Korona (lat. für Krone) bildet eine große strukturierte Wolke um die Sonne. Die Korona bildet die äußere Sonnenatmosphäre und besteht aus sehr heißem Gas. Die Gesamtausdehnung der Korona kann am Himmel mehr als 10 Grad betragen (zum Vergleich: die Sonnenscheibe ist etwa ein halbes Grad groß).
Der Himmel ist während der Totalität dunkel genug um helle Sterne und Planeten zu sehen. Sehr leicht beobachtbar werden Merkur 18 Grad westlich der Sonne, und Venus 15 Grad östlich der Sonne. Venus ist so hell, daß sie schon 3 - 5 Minuten vor der Totalität gesichtet werden kann. Da sich die Sonne bei dieser Finsternis im Sternbild Löwe aufhält, gibt es in unmittelbarer Umgebung auch noch hellere Sterne.
Beim 3. Kontakt schaut die Sonne wieder hinter dem Mond hervor. Schließlich ist der 4. Kontakt die letzte Berührung von der Mond- und Sonnenscheibe.
Diese Sonnenfinsternis dauert insgesamt 2 Stunden und 44 Minuten, wobei nur maximal 2 Minuten und 17 Sekunden auf die Totalität entfallen.

Kontaktzeiten für Ulm: 1. Kontakt = 11:14:09 Uhr; 2. Kontakt = 12:34:29 Uhr;
3. Kontakt = 12:36:33 Uhr; 4. Kontakt = 13:58:35 Uhr;
Dauer der Totalität = 2 Minuten 04 Sekunden.

Fotografie von Sonnenfinsternissen
Sicherlich werden viele zur Kamera greifen um die Finsternis auf irgendeine Weise festhalten zu wollen. Dazu ein Hinweis: Erleben Sie die Finsternis. Keine Kamera der Welt kann den Anblick und die Stimmung einer Finsternis wiedergeben.
Wenn Sie dennoch fotografisch tätig werden wollen, hier einige Tips:
Am besten eignen sich Spiegelreflexkameras, deren Belichtungszeiten sich frei einstellen lassen. Man sollte wissen, wie groß die Sonnenscheibe hinterher auf dem Film abgebildet ist. Als Faustregel gilt:
Brennweite des Kameraobjektivs in Millimeter geteilt durch 100 ergibt den Durchmesser der Sonnenscheibe in Millimeter auf dem Film. Ein übliches Fotoobjektiv von 50 mm Brennweite erzeugt ein Sonnenbild von nicht einmal einem halben Millimeter. Soll die Sonne formatfüllend abgebildet werden, dann bräuchte man bei Kleinbild über 2000 mm Brennweite. Glücklicherweise ist für die Korona eine so lange Brennweite überhaupt nicht notwendig. Die innere Korona besitzt einen durchschnittlichen Durchmesser von 3 - 5 Sonnenradien, so daß als geeignete Brennweite etwa 400 mm in Frage kommt.
Für die partielle Phase der Finsternis braucht man unbedingt eine geeignete Methode, um das Sonnenlicht abzuschwächen. Für einfache Zwecke reichen sogenannte ,Rettungsfolien'. Diese Folien sind in Apotheken oder im Outdoor-Markt leicht und preisgünstig zu erwerben. Da deren Filterwirkung im UV- oder Infrarotbereich nicht bekannt ist, sollte diese nur für fotografische Zwecke benutzt werden. Eine etwas teurere, aber bessere Variante sind Mylarfolien oder Polymerfolien, welche im Optik- oder Fotohandel zu erwerben sind. Während der Totalität muß der Sonnenfilter natürlich abgenommen und später wieder aufgesetzt werden.
Belichtungszeiten: Während der partiellen Phase ist noch genügend Licht vorhanden, um problemlos mit dem Belichtungsmesser der Kamera zu arbeiten. Die Sonnenkorona während der Totalitätsphase zeigt jedoch so große Helligkeitsunterschiede, daß kein Film der Welt sie komplett auf ein Bild bannen könnte. Aus diesem Grund kann man nur Richtwerte angeben um die der Fotograf möglichst weit streuen sollte.
Tabelle für Belichtungszeiten für Finsternisaufnahmen:
Filmempfind-
lichkeit (ASA)
Öffnungsverhältnis des optische Systems
25 1.4 2 2.8< 4 5.8> 8
50 2 2.8 5.6 8> 11
100 2.8 4 5.6 8 11 16
200 4 5.6 8 11 16 22
400 5.6 8 11 16 22 32
auf zunehmende Strukturen            
Protuberanzen - 1/1000 1/600 1/250 1/125 1/60
innere Korona 1/1000 1/600 1/250 1/125 1/60  
mittlere Korona 1/60 1/30 1/15 1/8 174 1/2
äußere Korona 1/8 1/4 1/2 1 2 4
äußerste Korona 1 2 4 8 16 32
Für beste Schärfe und großen Kontrastumfang ist ein niedrigempfindlicher Farbnegativfilm anzuraten. Farbdiafilm ist ebenfalls gut geeignet. Machen Sie am besten am Anfang und am Ende des Films eine allgemeine Aufnahme mit Ihrer Adresse. Es ist schon vorgekommen, daß der äußerst wertvolle Finsternisfilm verschwunden ist. Den Film nicht schneiden lassen. Filme mit einem Schnitt quer über die Sonne sind schon vorgekommen. Geben Sie rechtzeitig bekannt, daß Sie während der Finsternis nicht gestört werden wollen. Störungen können ein gut geplantes Programm ins Wanken bringen.
Nehmen Sie sich auf jeden Fall auch Zeit, die Finsternis visuell zu beobachten. Sonst laufen Sie Gefahr, die Finsternis zwar fotografiert, aber nicht erlebt zu haben.
Eine der beeindruckensten Schilderungen einer totalen Sonnenfinsternis stammt von Adalbert Stifter. Wie er das kosmische Schauspiel erlebt hat, gibt der folgende Text auszugsweise wieder.

Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842 (nach Adalbert Stifter)
Es gibt Dinge, die man fünfzig Jahre weiß, und im einundfünfzigsten erstaunt man über die Schwere und Furchbarkeit ihres Inhaltes. So ist es mir mit der totalen Sonnenfinsternis ergangen, welche wir in Wien am 8. Juli 1842 in den frühesten Morgenstunden bei dem günstigsten Himmel erlebten.
Es war so ein einfach Ding. Ein Körper leuchtet einen anderen an, und dieser wirft seinen Schatten auf einen dritten: aber die Körper stehen in solchen Abständen, daß wir in unserer Vorstellung kein Maß mehr dafür haben, sie sind so riesengroß, daß sie über alles, was wir groß heißen, hinausschwellen - ein solcher Komplex von Erscheinungen ist mit diesem einfachen Dinge verbunden, eine solche moralische Gewalt ist in diesen physischen Hergang gelegt, daß er sich unserem Herzen zum unbegreiflichen Wunder auftürmt.
Ich stieg um 5 Uhr auf die Warte eines Hauses in der Stadt, von wo aus man die Übersicht nicht nur über die ganze Stadt hat, sondern auch über das Land bis zum fernsten Horizonte. Mit einem seltsamen Gefühl schaute man die Sonne an, da an ihr nach wenigen Minuten so Merkwürdiges vorgehen sollte. Die Instrumente wurden gestellt, die Sonnengläser in Bereitschaft gehalten, aber es war noch nicht an der Zeit.
Endlich zur vorausgesagten Minute - gleichsam wie von einem unsichtbaren Engel - empfing sie den sanften Todeskuß, ein feiner Streifen ihres Lichtes wich vor dem Hauche dieses Kusses zurück.
Seltsam war es, daß dies unheimliche, klumpenhafte, tief schwarze, vorrückende Ding, das langsam die Sonne wegfraß, unser Mond sein sollte, der schöne sanfte Mond, der sonst die Nächte so silbern beglänzte. Endlich wurden auch auf Erden die Wirkungen sichtbar und immer mehr, je schmäler die am Himmel glühende Sichel wurde; der Fluß schimmerte nicht mehr, die Schwalben wurden unruhig, der schöne sanfte Glanz des Himmels erlosch, ein kühles Lüftchen hob sich, über die Auen starrte ein unbeschreiblich seltsames, aber bleischweres Licht.
Die Spannung stieg aufs höchste - einen Blick tat ich noch in das Stern-rohr, und wie ich das freie Auge hob, sah ich auch, daß bereits alle andern die Sonnengläser weggetan und bloßen Auges hinaufschauten - sie hatten auch keines mehr nötig; denn nicht anders als wie der letzte Funke eines erlöschenden Dochtes schmolz eben auch der letzte Sonnen-funken weg - es war ein überaus trauriger Augenblick - deckend stand nun Scheibe auf Scheibe - und dieser Moment war es eigentlich, der wirklich herzzermalmend wirkte - das hatte keiner geahnet - ein einstimmiges Ah aus aller Munde, und dann Totenstille, es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten.
Der Mond stand mitten in der Sonne, aber nicht mehr als schwarze Scheibe sondern gleichsam halb transparent wie mit einem leichten Stahlschimmer überlaufen, rings um ihn kein Sonnenrand, sondern ein wundervoller, schöner Kreis von Schimmer, bläulich, rötlich, in Strahlen auseinander-brechend — das Holdeste, was ich je an Lichtwirkung sah!
Auch wurde die Wirkung auf alle Menschenherzen sichtbar. Nach dem ersten Verstummen des Schrecks geschahen unartikulierte Laute der Bewunderung und des Staunens: der eine hob die Hände empor, der andere rang sie leise vor Bewegung, andere ergriffen sich bei denselben und drückten sich - eine Frau in dem Hause neben uns fiel in Ohnmacht, und ein Mann, ein ernster fester Mann, hat mir später gesagt, daß ihm die Tränen herabgeronnen.
Gerade, da die Menschen anfingen, ihren Empfindungen Worte zu geben, hörte es auf: ein einziger Lichttropfen quoll am oberen Rande hervor, und wir hatten unsere Welt wieder.
Wie lange aber das Herz des Menschen fortwogte, bis es auch wieder in sein Tagwerk kam, wer kann es sagen? Gebe Gott, daß der Eindruck recht lange nachhalte, er war ein herrlicher, dessen selbst ein hundertjähriges Menschenleben wenige aufzuweisen haben wird.

Text: Joachim Honer, AAU (1999)